Arbeitskreis Heimische Orchideen NRW
Egal ob an einem stark beschienenem Felsmassiv, einem Schotterfeld oder im ewigen Dunkel einer Höhle: Tier- und Pflanzenarten müssen mit den speziellen Lebensbedingungen an Felsen, Gestein und in Höhlen zurechtkommen.  (Foto: S.Sczepanski)

Neben den natürlichen bzw. mehr oder weniger naturnahen Orchideenlebensräumen seien die in der Regel als "Sekundärbiotope" bezeichneten Lebensräume im Folgenden kurz vorgestellt. Was überhaupt ist ein Sekundärbiotop? Die Definition dieses Begriffs als "Biotop aus Menschenhand" ist insofern problematisch, da viele der heimischen Orchideenlebensräume direkt auf menschliches Wirtschaften, auf die Landnutzungsformen unserer Vorfahren zurückzuführen sind und damit Biotope aus Menschenhand darstellen.

Neben der anthropogenen Entstehung sind folgende weitere Faktoren für die meisten Sekundärbiotope typisch: sie sind entweder erst in jüngerer Zeit entstanden oder werden ständig in außergewöhnlichem Maße durch menschliches Zutun beeinträchtigt. Meist sind es Lebensräume, die sich mehr "aus Zufall" denn geplant zu Refugien seltener Tier- und Pflanzenarten entwickelt haben. Die Vegetationsdynamik von Sekundärstandorten ist in der Regel außerordentlich hoch: Pioniergesellschaften, die eine Reihe von Orchideenarten beherbergen können, entwickeln sich in wenigen Jahren fort zu Hochstaudenfluren, die wiederum durch Gebüsch- und Vorwaldgesellschaften ersetzt werden. Als sogenannte Klimaxgesellschaften stehen die stabilen natürlichen und standortgemäßen Waldgesellschaften am Ende einer Jahrhunderte dauernden Entwicklung.

Die Bandbreite der Sekundärbiotope ist groß: ehemalige Abgrabungen, die durch Nährstoffarmut und z.T. durch Trockenheit, z.T. durch Feuchtigkeit charakterisiert werden (insbesondere Kalksteinbrüche, Sand- und Kiesgruben) und die der natürlichen Entwicklung überlassen werden, Braunkohlentagebau- und Bergsenkungsgewässer und deren Randbereiche, rekultivierte Gebiete wie Deponieflächen und Halden, ferner offene und wärmebegünstigte Böschungen, Weg- und Straßenränder, Friedhöfe, Grünanlagen und auch Privatgärten.

Selbstverständlich müssen die Sekundärstandorte den ökologischen Ansprüchen der Arten an Bodenmaterial und -beschaffenheit, Nährstoff-, Licht- und Wasserangebot genügen und aufgrund geringer Konkurrenz durch andere Pflanzenarten geeignete Keimungs- und Wachstumsbedingungen bieten. Für manche Dactylorhiza-Hybridpopulation und für seltene und gefährdete Arten wie das Übersehene Knabenkraut (Dactylorhiza praetermissa), Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris), Braunrote Stendelwurz (Epipactis atrorubens), Pyramidenorchis (Anacamptis pyramidalis) oder Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera) stellen Sekundärbiotope wertvolle "Über-Lebensräume" dar, in denen sich (zumeist nur für wenige Jahre) zum Teil große Populationen entwickeln können. Diese sind für den Erhalt der Arten, im günstigen Fall sogar als Ausbreitungszentren, landesweit oder für einzelne Regionen Nordrhein-Westfalens von immenser Bedeutung. Auch für nicht oder weniger stark gefährdete Arten wie Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine), Großes Zweiblatt (Listera ovata) oder Geflecktes Knabenkraut (Dactylorhiza maculata) können Sekundärbiotope wertvolle Rückzugsgebiete darstellen.